Wissenswertes
Geschichte der Soziotherapie:
Nachdem in einer Studie von Melchinger (1999: Ambulante Soziotherapie: Evaluation und analytische Auswertung des Modellprojektes "Ambulante Rehabilitation psychisch Kranker" der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen) die Wirksamkeit von Soziotherapie belegt werden konnte, wurde diese im Jahr 2000 neu (§37a SGB V) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. In den Folgejahren stellte sich heraus, dass die Verordnung von Soziotherapie sich als äußerst schwierig erwies. Zum einen gingen die Krankenkassen teils restriktiv bei der Genehmigung vor, zum anderen war die Vergütung für die Leistungserbringer bei höchsten Anforderungen an deren Ausbildung so gering, dass ein kostendeckendes Arbeiten nicht möglich war. Auch heute noch sind Zulassungsverfahren und Vergütung der Soziotherapie in jedem Bundesland anderes geregelt, so dass manche Regionen gänzlich unversorgt sind. In NRW müssen SoziotherapeutInnen ein Eignungsbegutachtungs-Verfahren durchlaufen, in dem sie ihre langjährige Fachkompetenz nachweisen müssen, um eine Zulassung durch den Bundesverband Soziotherapie e. V. zu erhalten. Im Jahre 2022 konnten in NRW Verträge mit den Primär- und Ersatzkassen ausgehandelt werden, die ein kostendeckendes Arbeiten ermöglichen. Die 2022 neu geschaffene ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Komplexbehandlung sieht Soziotherapie als festen Baustein vor.
Unterschied zwischen Soziotherapie, Betreutem Wohnen (BeWo) und ambulanter psychiatrischer Krankenpflege (APP):
Zielgruppe: Soziotherapie steht Menschen offen, die durch eine psychiatrische Erkrankung so stark beeinträchtigt sind, dass sie Unterstützung bei der Wahrnehmung medizinischer Angebote benötigen und stark in ihrem "Funktionsniveau" eingeschränkt sind. APP unterstützt Personen, die in ihrer selbständigen Lebensführung eingeschränkt sind, z. B. regelmäßig Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme brauchen. BeWo ist ein Hilfsangebot für Menschen, die Unterstützung benötigen, um ihre Selbständigkeit (z. B. das Wohnen in einer eigenen Wohnung) aufrecht erhalten zu können.
Kostenübernahme: Soziotherapie und APP sind Leistungen des SGB V (gesetzliche Krankenversicherung) und benötigen eine Verordnung durch FachärztInnen bzw. PsychotherapeutInnen oder HausärztInnen, die Begleitung der PatientInnen kann sofort nach Verordnung der Leistung beginnen. BeWo hingegen ist im SGB IX verankert, Kostenträger ist in NRW der Landschaftsverband. KlientInnen müssen bei der Beantragung von BeWo ihre Vermögensverhältnisse aufdecken, das Antragverfahren dauert in der Regel mehrere Wochen, in denen noch nicht mit der Arbeit begonnen werden kann.
Dauer der Leistung: Die Leistungszeit der Soziotherapie beträgt 120 Stunden in drei Jahren, anschließend kann eine neue Soziotherapie beantragt werden. APP ist zunächst auf 14 Tage begrenzt, kann dann auf max. vier Monate verlängert werden. BeWo kann bei Erfüllung der Voraussetzungen unbegrenzt geleistet werden. Soziotherapie, APP und BeWo können miteinander kombiniert werden!
Berufliche Voraussetzungen: Soziotherapie darf von SozialarbeiterInnen/Sozialpädagoginnen und FachkrankenpflegerInnen für Psychiatrie erbracht werden, wenn sie über eine mindestens dreijährige Berufserfahrung verfügen und die im Qualifikationsrahmen vom Berufsverband geforderten Fähigkeiten nachweisen können. APP wird von ausgebildeten Pflegekräften mit psychiatrischer Zusatzqualifikation erbracht. Im Bereich des BeWo sollten sozialpädagogische Fachkräfte eingesetzt werden, es dürfen aber auch minderqualifizierte Kräfte tätig werden.
Ein stationärer Aufenthalt lässt sich nicht vermeiden?
In Bielefeld und in Gütersloh gibt es die Möglichkeit, eine stationsäquivalente Behandlung zu absolvieren. Sie bleiben in einer akuten Krisensituation Zuhause wohnen und werden täglich von einem multiprofessionellen Team besucht und behandelt. Eine Soziotherapie kann im Rahmen des Entlassmanagements parallel eingeleitet werden, ich kann nach der Entlassung weiter für Sie da sein (gilt auch für vollstationäre Klinikaufenthalte).